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Missbräuchliche Kündigung

5 Antworten zur missbräuchlichen Kündigung

Herrscht in der Schweiz Kündigungsfreiheit?

Ja, sofern es um ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis geht. Hier kann jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag grundsätzlich ohne bestimmten Grund kündigen. Zu beachten sind lediglich die Kündigungsfristen und allfälligen Sperrfristen. Vorbehalten ist ein allfälliges Betriebsreglement. Schränkt dieses etwa die zulässigen Kündigungsgründe ein oder schreibt eine Verwarnung vor, gelten diese Vorschriften.

Eine weniger weit gehende Kündigungsfreiheit gilt in öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen. Hier kann die Arbeitgeberin Ihnen meist nur bei Vorliegen bestimmter Gründe kündigen, so etwa wegen mangelhafter Leistung oder Verletzung wichtiger Pflichten. Auch wenn die öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin Sie wegen wirtschaftlichen oder betrieblichen Gründen entlassen möchte, muss sie Ihnen je nach anwendbarer gesetzlicher Grundlage eine andere zumutbare Arbeit anbieten.

Wann ist eine Kündigung missbräuchlich?

Trotz der weitgehenden Kündigungsfreiheit ist nicht jede Kündigung rechtmässig. Die Kündigung ist grundsätzlich missbräuchlich, wenn die Arbeitgeberin Ihnen aus folgenden, gesetzlich verankerten, Gründen kündigt:

  • Wegen Ihrer Persönlichkeit, so beispielsweise wegen Ihrer Religion, Ihrer sexuellen oder politischen Orientierung oder Ihres Alters
  • Weil Sie ein verfassungsmässiges Recht ausüben, etwa indem Sie sich in ein politisches Amt haben wählen lassen, an einem legalen Streik teilgenommen oder ein krankes Kind betreut haben;
  • Um Ihre arbeitsvertraglichen Ansprüche zu vereiteln, heikel ist so etwa eine Kündigung kurz vor dem Stichtag, an welchem Sie ein Dienstaltersgeschenk oder eine Abgangsentschädigung zugute hätten oder kurz vor einer Operation mit einer voraussichtlich langen Genesungsdauer;
  • Weil Sie arbeitsrechtliche Ansprüche geltend machen, etwa indem Sie die Auszahlung von Überstunden fordern;
  • Weil Sie aufgrund von Militär-, Schutz- oder Zivildienst oder aufgrund einer anderen nicht freiwillig übernommenen gesetzlichen Pflicht ausfallen;
  • Weil Sie einer Gewerkschaft oder der Personalkommission des Unternehmens angehören;
  • Im Rahmen einer Massenentlassung, ohne dass die Personalkommission oder die Arbeitnehmer gesetzeskonform konsultiert wurde, um Gegenvorschläge zur Vermeidung von Kündigungen machen zu machen;
  • Wegen Ihres Geschlechts, namentlich wegen Ihres Zivilstandes, Ihrer familiären Situation oder einer Schwangerschaft.

Ist die weitere Zusammenarbeit für die Arbeitgeberin unzumutbar, kann jedoch auch eine Kündigung aus oben genannten Gründen rechtmässig sein. Umgekehrt ist obige Liste nicht abschliessend. Mögliche weitere, von Gerichten anerkannte, Fälle von missbräuchlicher Kündigung sind:

  • Kündigung nach einem Konflikt am Arbeitsplatz, ohne dass Arbeitgeberin Konflikt vorgängig zu lösen versucht hat;
  • Kündigung kurz vor der Pensionierung, um Mitarbeiter durch eine jüngere Person zu ersetzen.

Wie fechte ich eine missbräuchliche Kündigung an?

Sie müssen Ihrer Arbeitgeberin spätestens am letzten Tag der Kündigungsfrist schriftlich, am besten mit eingeschriebenem Brief, mitteilen, dass Sie mit der Kündigung nicht einverstanden sind. Eine Begründung ist nicht notwendig.

Macht Ihnen ihre Arbeitgeberin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist kein neues Stellenangebot, haben Sie ab dem letzten Tag der Kündigungsfrist 180 Tage Zeit, um bei der zuständigen Schlichtungsbehörde für arbeitsrechtliche Streitigkeiten Klage einzureichen. In gewissen Kantonen heisst die Schlichtungsbehörde Arbeitsgericht oder Friedensrichteramt.

Ist eine missbräuchliche Kündigung ungültig?

In aller Regel nein. Hat ein Gericht entschieden, dass die Kündigung missbräuchlich war, wird es die Arbeitgeberin lediglich zu einer Entschädigung verpflichten. Diese Entschädigung darf sechs Monatslöhne nicht übersteigen. Bei einer missbräuchlichen Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung darf die Entschädigung nicht mehr als zwei Monatslöhne betragen.

Das Gericht muss einen allfälligen 13. Monatslohn, Provisionen oder Schichtzulagen mit einberechnen. Wie hoch die Entschädigung ausfällt, orientiert sich nach den Antworten auf insbesondere folgende Fragen:

  • Wie verwerflich war das Kündigungsmotiv?
  • Tragen Sie als Arbeitnehmer eine Mitschuld?
  • Wie lange waren Sie angestellt?
  • Werden Sie aufgrund Ihres Alters und Ihrer beruflichen Situation schnell wieder eine Anstellung finden?
  • Sind Sie finanziell für Familienmitglieder verantwortlich?

Beispiele aus der Rechtsprechung:

  • Die Arbeitgeberin entlässt einen Heizungsmonteur nach 44 Dienstjahren, nur ein Jahr vor dessen Pensionierung, weil er einen Konflikt mit einem anderen Mitarbeiter hat und sich weigert, gewisse neue Massnahmen zur Produktivitätssteigerung mitzutragen.
    • Das Bundesgericht erachtet die Kündigung als völlig unverhältnismässig und verpflichtet die Arbeitgeberin zur Zahlung von sechs Monatslöhnen
  • Eine an einer Schule tätige Pflegefachfrau wird nach sieben Dienstjahren entlassen, weil sie nach schwerwiegenden Konflikten am Arbeitsplatz eine Reduktion des Pensums von 80% auf 30% nicht akzeptiert.
    • Das Bundesgericht verpflichtet die Arbeitgeberin zur Zahlung von vier Monatslöhnen.
  • Nach 10 Dienstjahren erhält eine Hilfspflegerin in einem Altersheim die Kündigung, da ein Bewohner sie des Diebstahls beschuldigt. Die Arbeitgeberin entlässt sie daraufhin, obwohl sich der Verdacht nicht erhärtet, da mehrere Personen Zugang zum Zimmer des bestohlenen Bewohners haben.
    • Das Bundesgericht verpflichtet das Altersheim zur Zahlung von vier Monatslöhnen.
  • Die Arbeitgeberin entlässt den 58-jährigen technischen Leiter nach drei Dienstjahren unter dem Vorwand, dies sei wirtschaftlich notwendig. Der Angestellte hatte sich darüber beschwert, dass die Arbeitgeberin seine Persönlichkeit nicht schütze.
    • Das Bundesgericht anerkennt eine Rachekündigung, berücksichtigt aber auch, dass die Arbeitgeberin aber vor der Kündigung auf das Begehren des Arbeitnehmers einging und den Konflikt mit dessen Vorgesetzten zu lösen versuchte. Der Arbeitnehmer erhält zwei Monatslöhne.
  • Ein Spinnereiarbeiter ist im zweiten Dienstjahr und nimmt an einem rechtmässigen Warnstreik teil. Die Arbeitgeberin entlässt ihn daraufhin.
    • Das Bundesgericht verpflichtet die Arbeitgeberin zur Bezahlung eines Monatslohnes.

Wann besteht das Recht auf eine Wiederanstellung?

Das Gleichstellungsgesetz sieht unter bestimmten Umständen einen Kündigungsschutz beziehungsweise ein Recht auf Wiederanstellung vor. Wehren Sie sich im Betrieb selbst, vor einer Schlichtungsstelle oder vor Gericht gegen eine Diskriminierung aufgrund Ihres Geschlechts, so etwa wegen sexueller Belästigung oder lohnmässiger Diskriminierung, sind Sie für die Dauer dieses Verfahrens und sechs Monate darüber hinaus vor einer Kündigung geschützt.

Aufgepasst: Sie müssen diese anfechtbare Rachekündigung bereits vor Ende der Kündigungsfrist beim Gericht anfechten. Anders als bei der missbräuchlichen Rachekündigung reicht es nicht, wenn Sie sich bei der Arbeitgeberin selbst schriftlich gegen die Kündigung wehren.

Bevor das Gericht über Ihre Beschwerde entscheidet, kann es die provisorische Wiederanstellung anordnen. Kommt es danach zum Schluss, dass die Kündigung unzulässig war, ist die Kündigung ungültig und Sie bleiben angestellt. Allerdings kann Ihnen die Arbeitgeberin sechs Monate nach diesem Gerichtsentscheid wiederum kündigen. Diese Kündigung kann zwar missbräuchlich sein, aber sie kann nicht mehr zu einer Wiederanstellung führen. Möglich bleibt aber die gewöhnliche Entschädigung in Höhe von maximal sechs Monatslöhnen.


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