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Darf die Polizei zum Schutz Minderjähriger präventiv ermitteln?

Die Polizei darf bei versuchten sexuellen Handlungen mit Kindern präventiv verdeckt ermitteln, sofern ein kantonales Gesetz dies vorsieht.

Polizei und Staatsanwaltschaft können namentlich dann verdeckt ermitteln, wenn ein Verdacht auf ein bereits begangenes Verbrechen oder Vergehen besteht. Kantonale Gesetze können hier weiter gehen und auch präventive polizeiliche Ermittlungen erlauben. Voraussetzung dafür ist, dass die Einschränkung der Grundrechte den verfassungsmässigen Grundsätzen genügt und so namentlich im öffentlichen Interesse liegt. Die Verhinderung von sexuellem Missbrauch Minderjähriger liegt zweifellos im öffentlichen Interesse.

Ein verdeckter Ermittler darf eine Person auch im Rahmen einer zulässigen präventiven Ermittlung nicht zu einer Tat provozieren. Ist jedoch beispielsweise aufgrund eines Chatverlaufs davon auszugehen, dass der mögliche Täter von sich aus die Straftat hätte begehen wollen, handelt es sich bei der aktiven Teilnahme am Chat nicht um eine unzulässige Einwirkung. Dies hat das Bundesgericht mit Urteil vom 24. Januar 2025 entschieden.

Mann sucht online nach jugendlichen Partnern

Ein Mann veröffentlicht online regelmässig Kontaktanzeigen, über welche er jugendliche Sex-Partner finden will. So sucht er beispielsweise online nach einem «Sohn», mit dem er gute Sexmomente haben könne. Eine laut eigenen Angaben 14-jährige Person meldet sich auf das Inserat. Nach mehreren online-Austauschen vereinbart der Mann mit der Internetbekanntschaft ein Treffen in einem Hotel. Dort wartet ein Polizeibeamter auf den Mann, denn bei dem angeblich 14-jährigen Chatpartner handelt es sich in Tat und Wahrheit um einen in der verdeckten Fahndung tätigen Polizeibeamten.

Der Polizeirichter spricht den Mann unter anderem des versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig und verurteilt ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 CHF sowie zur Zahlung einer Geldstrafe von 200 CHF. Zusätzlich verhängt er ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot für Aktivitäten mit regelmässigem Kontakt mit Minderjährigen. Der Mann legt gegen dieses Urteil erfolglos Berufung ein und erhebt im Anschluss beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen.

Kantonales Gesetz darf präventive verdeckte Ermittlungen zulassen

Der Mann argumentiert unter anderem, dass kein Verdacht auf bereits erfolgte Verbrechen oder Vergehen bestanden hätte. Die über die verdeckte Ermittlung erlangten Beweismittel seien deswegen nicht verwertbar. Das Bundesgericht folgt dieser Argumentation nicht. Denn ein kantonales Gesetz darf verdeckte präventive polizeiliche Ermittlungen zulassen, sofern es namentlich im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist.

Hier erinnert das Bundesgericht daran, dass das öffentliche Interesse an der Verhinderung sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen offensichtlich ist. Präventive Ermittlungen sind dabei sinnvoll, da sie potentielle Täter vor einer Straftat abhalten können. Im vorliegenden Fall waren die präventiven Ermittlungen zudem namentlich deswegen verhältnismässig, weil sie weniger als 30 Tage dauerten.

Polizeilicher Ermittler ist kein «Agent provocateur»

Der Mann argumentiert weiter, der verdeckte Ermittler habe ihn unzulässigerweise zu der Straftat provoziert. Das Bundesgericht schreibt mit Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), dass eine unzulässige polizeiliche Einwirkung dann vorliegt, wenn die betroffene Person durch sie eine Straftat begeht, die sie sonst nicht begangen hätte. Im vorliegenden Fall veröffentlicht der betroffene Mann allerdings erst eine ziemlich eindeutige Anzeige, auf welche sich der verdeckte Ermittler meldet. Auch der weitere Chatverlauf lässt nicht darauf schliessen, dass der verdeckte Ermittler den Mann zu etwas gedrängt hätte, was er sonst nicht getan hätte.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und erhebt keine Gerichtskosten. Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers wird aus der Kasse des Bundesgerichts mit 3 000 CHF entschädigt.