Wohnen

Wer muss beweisen, dass der Anfangsmietzins missbräuchlich ist?

In der Regel der Mieter. Wie das Bundesgericht am 6. Mai 2021 entschieden hat, kann das auch bei einer massiven Erhöhung des Anfangsmietzinses gelten. Dies ist dann der Fall, wenn die Vermieterin beim Gericht begründete Zweifel an der Missbräuchlichkeit des Anfangszinses geweckt hat.

Mit dem aktuellen Entscheid erhöht das Bundesgericht die Anforderungen für eine erfolgreiche Anfechtung des Anfangsmietzinses. Zwar gilt nach wie vor bei einer massiven Erhöhung des Anfangsmietzinses die Vermutung der Missbräuchlichkeit. Die massive Erhöhung des Anfangsmietzinses kann aber gerechtfertigt sein, insbesondere wenn die Vermieterin die Miete während des sehr lange dauernden Vormietverhältnisses nicht substantiell angepasst hat.

Massiv erhöhter Anfangsmietzins kann gerechtfertigt sein

Die Mieterin mietet eine 2-Zimmerwohnung zu einem monatlichen Nettomietzins von 1‘060 CHF. Der letzte Mietzins für die Vormieterin, welche die Altbauwohnung während über 20 Jahren bewohnt hatte, betrug 738 CHF. Die Vermieterin begründet die Mietzinserhöhung mit einer «Anpassung an die orts- und quartierüblichen Verhältnisse.» Die Mieterin geht zunächst erfolgreich vor Gericht: Die Vorinstanzen qualifizieren den Anfangsmietzins als missbräuchlich und legen einen neuen Anfangsmietzins in der Höhe von 855 CHF fest.

Erhöht die Vermieterin den Anfangsmietzins um deutlich mehr als 10 Prozent, vermutet das Gericht einen missbräuchlichen Mietzins. Wohnte die Vormieterin mindestens 15 – 20 Jahre in der Wohnung, ist es gemäss Bundesgericht bei einem stark steigenden Mietzinsniveau von vergleichbaren Wohnobjekten allerdings «wahrscheinlich, dass der Vormietzins den aktuellen quartier- und ortsüblichen Mietzinsen nicht mehr entspricht.» Es reicht deswegen, wenn die Vermieterin beim Gericht begründete Zweifel an der Missbräuchlichkeit wecken kann. Diese Zweifel kann sie beispielsweise wecken, indem sie 3-4 Vergleichsobjekte mit einem entsprechenden Mietzins zusammen mit offiziellen Statistiken oder einem Privatgutachten präsentiert.

Beweislast zurück beim Mieter

Gelingt es der Vermieterin, beim Gericht diese Zweifel zu wecken, ist der Ball zurück beim Mieter. Dieser muss nun beweisen, dass die Erhöhung nicht mehr orts- und quartierüblich ist. Massgeblich dafür sind die Vergleiche mit Wohnräumen, «die nach Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode mit der Mietsache vergleichbar sind.» Gemäss Rechtsprechung können in den Vergleich offizielle Statistiken dann einfliessen, wenn sie «den jüngsten Entwicklungen der Mietzinse Rechnung tragen.» Möglich ist auch ein Vergleich mit fünf vergleichbaren Wohnräumen, schliesslich «ist die jüngste Entwicklung von den Mietzinsen der Vergleichsobjekte mit Blick auf den Referenzzinssatz und den Landesindex der Schweizerischen Konsumentenpreise zu berücksichtigen.»

Das Obergericht hatte nicht geprüft, ob die Argumente der Vermieterin – sie hatte 23 Vergleichsobjekte präsentiert – Zweifel an der Missbräuchlichkeit zu wecken vermögen und entsprechend der Mieter beweispflichtig wird. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Vermieterin entsprechend teilweise gut. Es weist die Sache an das Obergericht zurück, welches den Fall neu beurteilen muss. Die Mieterin muss die Gerichtskosten im Umfang von 2‘000.- CHF übernehmen sowie die Vermieterin mit 2‘500.- CHF entschädigen.