Familie

Darf die KESB ein Baby gegen den Willen der Mutter fremdplatzieren?

Kann die Mutter ohne lückenlose Beaufsichtigung die Sicherheit ihres Kindes nicht gewährleisten, darf die KESB auch ein Baby fremdplatzieren. Allerdings darf die Behörde das Besuchsrecht nicht deswegen einschränken, weil sie über zu wenig Personal verfügt. Dies hat das Bundesgericht mit Urteil vom 27. Februar 2024 entschieden.

Ist ein Kind gefährdet und sein Schutz nicht anders möglich, muss es die zuständige Kindesschutzbehörde (KESB) den Eltern wegnehmen und in angemessener Weise an einem anderen Ort unterbringen. Auch in diesem Fall haben die Eltern jedoch einen Anspruch auf einen angemessenen persönlichen Verkehr, sofern dieser dem Kindeswohl dient.

KESB platziert Baby nach Gefährdungsmeldung im Heim

Eine Single-Frau lässt sich in Dänemark künstlich befruchten, ihre Tochter kommt im Universitätsspital in Lausanne zur Welt. Dort stellen Pflegekräfte wie auch Ärztinnen fest, dass die Mutter kaum auf die Bedürfnisse des zu früh geborenen Kindes eingehen kann. Nachdem die Mutter die vom Spital angebotene Hilfe, wie etwa einen verlängerten stationären Aufenthalt, abgelehnt hat, entzieht die KESB der Mutter auf die Gefährdungsmeldung des Spitals hin das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Die KESB platziert das Kind in einem Heim. Die Mutter erhält das Besuchsrecht, das aufgrund Personalmangels auf zwei Mal eineinhalb Stunden pro Woche beschränkt ist.

Die Mutter legt gegen die Platzierungsverfügung Einsprache ein. In einem ärztlichen Attest empfiehlt der sie behandelnde Psychiater die Wiederherstellung der elterlichen Sorge unter Einsetzung einer Erziehungsbeistandschaft. Die Beschwerdekammer lehnt die Einsprache ab. Die Mutter legt daraufhin beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen ein. Das Bundesgericht lehnt das Gesuch um aufschiebende Wirkung mit Präsidialverfügung vom 20. Dezember 2023 ab.

Kindeswohl für Fremdplatzierung entscheidend

Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts. Die Vorinstanz habe nicht berücksichtig, dass ihr Psychiater ihre aktuellen Probleme insbesondere in einem traumatischen Notkaiserschnitt begründet sehe und es als dringend erachte, ihr das Sorgerecht wieder zu geben. Das Bundesgericht folgt jedoch der Argumentation der Vorinstanz, wonach hier nur eine lückenlose Beaufsichtigung die Sicherheit des Babys zu gewährleisten vermöge und deswegen eine blosse Erziehungsbeistandschaft nicht genügend sei.

Die Fremdplatzierung eines Kindes ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung des Kindes in der Umgebung der Eltern nicht ausreichend geschützt oder gefördert wird und eine mildere Massnahme keinen Erfolg verspricht. Unerheblich sind dabei die Gründe, warum dies so ist: Entscheidend ist das Kindeswohl, ein allfälliges Verschulden der Eltern spielt keine Rolle.

Besuchsrecht darf nicht von Personalbestand abhängen

Unabhängig vom Aufenthaltsbestimmungsrecht haben Eltern und Kind das Recht, persönliche Beziehungen zu unterhalten. Einschränkungen zum Wohl des Kindes sind möglich. Im konkreten Fall hatte die zuständige Behörde nur begleitete Besuche erlaubt, da die Mutter die grundlegenden Fähigkeiten zur Betreuung erst erlernen und trainieren müsse. Wie das Bundesgericht festhält, ist dies bei einem Baby nur durch körperlichen Kontakt möglich. Ein Besuchsrecht im Umfang von drei Stunden pro Woche reicht dafür nicht. Dass die Behörden für häufigere Besuche über zu wenig Personal verfügen, rechtfertigt langfristig diese massive Einschränkung der Elternrechte nicht.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und auferlegt der Beschwerdeführerin die Gerichtskosten in der Höhe von 2 000 CHF.