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Habe ich als Grenzgänger Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Schweiz?

Wer als Grenzgängerin im Beschäftigungsland Teilzeit arbeitet, kann sich bei der Arbeitslosenkasse des Beschäftigungslandes als arbeitssuchend melden und hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Wer hingegen zum Zeitpunkt der Anmeldung über keinen unbefristeten Arbeitsvertrag mit einer Arbeitgeberin im Beschäftigungsland verfügt, muss sich für eine allfällige Arbeitslosenentschädigung an seinen Wohnsitzstaat wenden. Dies hat das Bundesgericht mit Urteil vom 19. November 2018 entschieden.

Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ist der Wohnsitz in der Schweiz. Auch eine teilzeitbeschäftigte Person hat Anspruch auf eine Arbeitslosenentschädigung, sofern sie eine Vollzeit- oder eine zusätzliche Teilzeitstelle sucht. Ist die Person eine echte Grenzgängerin, übernachtet also auch unter der Woche nicht im Beschäftigungsland, hat sie aufgrund der EG-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes EuGH auch bei einer Teilarbeitslosigkeit Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenkasse des Beschäftigungslandes. Diese Regelung gilt allerdings dann nicht, wenn die Grenzgängerin zur Zeit der Anmeldung beim RAV in gar keinem Arbeitsverhältnis mit einer in der Schweiz ansässigen Arbeitgeberin steht.

Keine Arbeitslosenentschädigung für Grenzgängerin

Nachdem sie 16 Jahre in der Schweiz gearbeitet hat, meldet sich die italienische Staatsbürgerin beim RAV. Nachdem die Arbeitgeberin ihren befristeten Arbeitsvertrag nicht erneuert hat, sucht die Arbeitnehmerin eine Vollzeitstelle. Die zuständige Abteilung verneint den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, da sie mit ständigem Wohnsitz in Italien als «echte Grenzgängerin» zu betrachten sei. Das kantonale Versicherungsgericht weist ihre Beschwerde ab. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) erhebt gegen diesen Entscheid beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

Beschäftigungsstaat auch für Teilzeitarbeitslose zuständig

Gemäss der Vorinstanz erhält eine echte Grenzgängerin nur dann Leistungen der Arbeitslosenkasse in der Schweiz, wenn es um Kurzarbeit oder einen sonstigen vorübergehenden Arbeitsausfall geht. Zwar hat der Europäische Gerichtshof den Anwendungsbereich des Verordnungsartikels auf eine Teil-Arbeitslosigkeit ausgedehnt, da der Beschäftigungsstaat die (teil-) arbeitslose Person besser unterstützen könne. Dieses Urteil ist aber laut dem kantonalen Gericht für die Schweiz nicht relevant. Vielmehr müsste aufgrund der erheblichen finanziellen Folgen der Gemischte Ausschuss eine solche Ausweitung des Geltungsbereiches beschliessen. Das Bundesgericht lehnt diese Argumentation ab und bestätigt, dass auch bei einer Reduktion des Pensums der Beschäftigungsstaat zuständig für die Arbeitslosenentschädigung bleibt.

Ohne Arbeitsvertrag keine Arbeitslosenentschädigung im Beschäftigungsstaat

Wie das Bundesgericht feststellt, ist die Grenzgängerin zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung beim RAV bei keiner in der Schweiz ansässigen Arbeitgeberin angestellt. Zwar unterschreibt sie kurze Zeit nach der Anmeldung wiederum einen neuen Arbeitsvertrag über 50%, auch dieser ist aber befristet. Damit ist sie laut Bundesgericht so zu behandeln, als würde sie eine Vollzeitbeschäftigung suchen. Bei dieser Suche kann sie ihr Wohnsitzstaat Italien mindestens ebenso gut unterstützen wie die Behörden in der Schweiz. Wie das Bundesgericht weiter schreibt, wäre ein anderes Ergebnis möglich, verfügte die Grenzgängerin beim Zeitpunkt ihrer Anmeldung beim RAV über einen unbefristeten (Teilzeit-)Arbeitsvertrag.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde des seco ab und spricht der Grenzgängerin keine Parteientschädigung zu. Des Weiteren erhebt das Bundesgericht keine Gerichtskosten.

Aktualisiert am 15. Februar 2024