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Schuldet die betriebene Arbeitgeberin den Bruttolohn?

Verurteilt ein Gericht die Arbeitgeberin zur Zahlung des Lohnes, ist grundsätzlich vom Bruttolohn auszugehen. Weist die Arbeitgeberin jedoch nach, dass sie auf diesen Lohn Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss, hat das Rechtsöffnungsgericht den auszuzahlenden Betrag entsprechend zu kürzen. Dies hat das Bundesgericht mit Entscheid vom 29. März 2023 festgehalten.

Hat ein Gericht die zu bezahlende Lohnsumme eindeutig bestimmt und ist der Entscheid vollstreckbar, kann der Arbeitnehmer beim Rechtsöffnungsgericht die Aufhebung des Rechtsvorschlages verlangen.

Ohne anderslautenden Hinweis im Urteil schuldet die Arbeitgeberin den Bruttolohn. Beweist sie aber vor dem Rechtsöffnungsgericht die Verpflichtung, Sozialversicherungsbeiträge zu leisten, muss das Gericht den auszuzahlenden Betrag entsprechend kürzen.

Arbeitgeberin anerkennt nur ausstehenden Nettolohn

2016 verurteilt das Kantonsgericht die Arbeitgeberin zur Zahlung eines Bruttolohns plus Zinsen. Aus dem Urteil geht hervor, dass die Arbeitgeberin einige Sozialversicherungsbeiträge geleistet hat. 2022 stellt das Betreibungsamt der Arbeitgeberin einen Zahlungsbefehl über den geforderten Bruttolohn zu. Diese erhebt Rechtsvorschlag, da sie dem Arbeitnehmer nur den Nettolohn schulde.

Der Arbeitnehmer beantragt erfolgreich die Beseitigung des Rechtsvorschlages. Die Arbeitgeberin erhebt beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Rechtsöffnungsgericht kann geschuldeten Lohn nicht anpassen

Ohne andere Abmachung entspricht der vereinbarte Lohn dem Bruttolohn und damit dem Lohn vor Abzug der Arbeitnehmerbeiträge.

Bestätigt ein Gericht die Lohnforderung des Arbeitnehmers ausdrücklich oder stillschweigend als Bruttolohnforderung, kann das Rechtsöffnungsgericht die Höhe dieser ursprünglichen Forderung nicht abändern. Es kann auch nicht die Arbeitgeberin dazu verpflichten, die Sozialabgaben an die betreffenden Einrichtungen zu zahlen, da letztere nicht Partei des Verfahrens sind.

Ursprüngliche Bruttolohnschuld kann zur Nettolohnschuld werden

Die Arbeitgeberin bestreitet die Höhe der Schuld und verlangt die Kürzung des geschuldeten Betrages um die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers. Diese seien erst mit der Auszahlung des Lohnes fällig und damit habe sich der geschuldete Betrag seit dem Urteil des Kantonsgerichts verändert.

Das Bundesgericht weist darauf hin, dass nicht der Arbeitnehmer, sondern die Arbeitgeberin die Sozialversicherungsbeiträge schulde. Sie kann nicht einwenden, dass sie die Arbeitnehmerbeiträge nicht erhalten hat, da sie ein gesetzliches Recht hat, die Beiträge direkt vom Lohn abzuziehen. Entscheidend ist damit lediglich, ob die Arbeitgeberin zur Zahlung der Beiträge verpflichtet ist. Gelingt ihr dieser Beweis, hat sich die Höhe der Schuld verändert und das Rechtsöffnungsgericht muss den geschuldeten Betrag kürzen. Das Bundesgericht weist die Sache an die Vorinstanz zur Prüfung dieser Zahlungsverpflichtung zurück.

Da der Arbeitnehmer von der unentgeltlichen Rechtspflege profitiert, übernimmt die Kasse des Bundesgerichts vorläufig die Gerichtskosten in der Höhe von CHF 3 000 sowie die amtlichen Anwaltskosten. Diese muss der Arbeitnehmer zurückerstatten, sollte er später dazu in der Lage sein. Bereits mit dem Urteil muss er der Arbeitgeberin eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 3 500 zahlen.