Gesundheit
Schwerhörig nach Pyrowurf: Zahlt die Unfallversicherung?

Ein Pyrowurf unter einem Schallpegel von 125 dB ist nicht ungewöhnlich und die Unfallversicherung muss keine Therapiekosten übernehmen.
Ein Unfall ist die «plötzliche, nicht beabsichtigte schädliche Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat». Entscheidend ist dabei der äussere Faktor selbst und nicht dessen Wirkung. Ein «einmaliger, nur sehr kurz andauernder Schallexpositionspegelwert» von 112.2 bis maximal 116.2 dB ist in einem Fussballstadion unabhängig von der Schallquelle nicht ungewöhnlich und eine darauf zurückzuführende Verletzung deswegen kein Unfall. Dies hat das Bundesgericht mit Urteil vom 14. November 2019 entschieden.
Mann nach Pyrowurf schwerhörig
Beim Match des FCL gegen den FCSG am 21. Februar 2016 detonieren zwei Rauch- und Feuerwerkskörper. Ein 20 Meter neben der Detonation stehender Mann erleidet einen Tinnitus sowie eine posttraumatische Belastungsstörung. Das Bundesstrafgericht verurteilt den Pyrowerfer am 9. August 2017 wegen schwerer Körperverletzung. Am 16. November 2017 verneint die Unfallversicherung ihre Leistungspflicht, da es sich bei dem Vorfall nicht um einen Unfall im Sinne des Gesetzes handle. Im strafrechtlichen Verfahren bestätigt derweil das Bundesgericht die Verurteilung des Pyrowerfers wegen schwerer Körperverletzung am 21. Februar 2019. (Siehe auch: «Tinnitus nach Konzert: Wer zahlt die Therapie?»)
Am 6. Juni 2019 heisst das Kantonsgericht die Beschwerde gegen den Entscheid der Unfallversicherung gut. Die Unfallversicherung gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht.
Lärm im Fussballstadion ist nicht ungewöhnlich
Das Bundesgericht hält in ständiger Rechtsprechung fest, dass es sich nur dann um einen für den Unfallbegriff entscheidenden ungewöhnlichen Faktor handle, «wenn er – nach einem objektiven Massstab – nicht mehr im Rahmen dessen liegt, was für den jeweiligen Lebensbereich alltäglich und üblich ist». Dabei ist nur der Pyrowurf selbst entscheidend, nicht dessen Wirkung. Der Pyrowurf hat einen Schallpegel von maximal 116.2 dB erreicht und liegt damit etwa unter dem für den elektroakustisch verstärkten Schall geltenden Maximalpegel von 125 dB. Zudem ist im Fussballstadion mit Lärm zu rechnen, weswegen der Pyrowurf jedenfalls nicht als ungewöhnlich zu qualifizieren sei.
112 dB schaden einem gesunden Menschen nicht
Der vorliegende Schallexpositionspegelwert ist für einen durchschnittlichen Menschen nicht gefährlich. Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Qualifizierung als Unfall ist jedoch, dass der äussere Faktor bei einem gesunden Menschen ohne Vorerkrankungen gesundheitsschädigend wirkt. Daran ändert nichts, dass das Bundesgericht den strafrechtlichen Schuldspruch wegen schwerer Körperverletzung bestätigt hat.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Unfallversicherung gut und auferlegt dem Beschwerdegegner die Gerichtskosten von 800 CHF.
Aktualisiert am 30. Januar 2025