Lohnfortzahlung bei Krankheit

Rechtsweg

Vorbemerkung

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit keine Lohnfortzahlung erhält, muss er zuerst abklären, ob er gegen die Arbeitgeberin oder gegen die Krankentaggeldversicherung vorgehen muss. Sofern die Arbeitgeberin keine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hat, muss der Arbeitnehmer gegen die Arbeitgeberin vorgehen. Dies gilt auch für diejenigen Fälle, in denen die Arbeitgeberin gestützt auf einen GAV oder den Arbeitsvertrag eine Krankentaggeldversicherung abschliessen müsste, dies aber nicht getan hat. Hat die Arbeitgeberin eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, muss der Arbeitnehmer im Normalfall gegen die Versicherung vorgehen. Rechtlich betrachtet hat die Arbeitgeberin ihre gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit nämlich auf die Versicherung übertragen. Nur in folgenden Fällen muss der Arbeitnehmer dennoch gegen die Arbeitgeberin vorgehen:

  • Die Versicherung zahlt weniger als die Leistungen, die gemäss GAV geschuldet sind oder ihre Leistungen sind nicht gleichwertig wie die gesetzliche Lösung (siehe oben). Dann muss die Arbeitgeberin die Differenz bezahlen.
  • Der Versicherungsvertrag zwischen Versicherung und Arbeitgeber sieht eine Wartefrist (beispielsweise 30 Tage) vor und der Arbeitnehmer erhält während dieser Wartefrist keinen Lohn. Diesen muss die Arbeitgeberin bezahlen.
  • Die Versicherung anerkennt den Leistungsfall nicht, weil die Arbeitgeberin den Fall nie bei der Versicherung angemeldet oder vergessen hat, den Arbeitnehmer nach Ende des Arbeitsverhältnisses über das Übertrittsrecht in die Einzelversicherung zu informieren (siehe oben). Die Arbeitgeberin muss dem Arbeitnehmer dann Schadenersatz in Höhe der entgangenen Versicherungstaggelder bezahlen.

Verfahren gegen die Arbeitgeberin

Gegenstand

Im arbeitsrechtlichen Verfahren können die Schlichtungsbehörde und danach allenfalls das ordentliche Gericht klären, ob die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer für die krankheitsbedingte Abwesenheit Lohn schuldet.

Verfahren

In einem ersten Schritt muss der Arbeitnehmer bei der Schlichtungsbehörde für arbeitsrechtliche Streitigkeiten ein sogenanntes Schlichtungsgesuch gegen die Arbeitgeberin stellen. Die Schichtungsbehörde heisst nicht in jedem Kanton gleich, hat aber überall dieselbe Aufgabe. Im Kanton Bern beispielsweise heisst sie lediglich «Schlichtungsbehörde», im Kanton Luzern «Schlichtungsbehörde Arbeit», im Kanton Aargau «Arbeitsgericht» und im Kanton Zürich «Friedensrichteramt». Die meisten Kantone haben nicht nur eine dieser Schlichtungsbehörden, sondern je eine in mehreren grösseren Ortschaften, zuständig für die jeweilige Region. Der Arbeitnehmer kann die Arbeitgeberin entweder an dem Ort einklagen, an dem die Arbeitgeberin gemäss Handelsregistereintrag ihren Sitz hat, oder er kann sie an seinem Arbeitsort einklagen. Hat der Arbeitnehmer keinen festen Arbeitsplatz (beispielsweise ein Bauarbeiter) gilt als Arbeitsort der Ort, an dem er meistens seine Arbeit verrichtet hat (beispielsweise der Ort der Baustelle).

Nach Eingang des Schlichtungsgesuchs lädt die Schlichtungsbehörde Arbeitnehmer und Arbeitgeberin zu einer Verhandlung vor. Dabei hat sie zum Ziel, den Rechtsstreit zwischen beiden Parteien zu schlichten. Gelingt dies, ist der Prozess vorbei. Kann der Arbeitnehmer mit der Arbeitgeberin keine Einigung erzielen, so erhält er von der Schlichtungsbehörde eine sogenannte Klagebewilligung. Diese gibt ihm drei Monate Zeit, um gegen die Arbeitgeberin vor Zivilgericht eine Klage einzureichen. Dies wird dann als ordentlicher Gerichtsprozess bezeichnet.

Kosten

Das Schlichtungsverfahren ist kostenlos, sofern der Streitwert 30 000 CHF nicht übersteigt. Dasselbe gilt für das Verfahren vor dem ordentlichen Gericht. Lässt sich die Arbeitgeberin im Prozess anwaltlich vertreten und gewinnt sie vor Gericht, muss der Arbeitnehmer ihre Anwaltskosten übernehmen. Dies auch dann, wenn der Streitwert 30 000 CHF nicht übersteigt und das Gerichtsverfahren an sich kostenlos ist.

Verfahren gegen die Krankentaggeldversicherung

Gegenstand

Das Verfahren gegen die Krankentaggeldversicherung ist je nach Kanton und Art der Versicherung ein zivilrechtliches, sozialversicherungsrechtliches oder verwaltungsrechtliches Verfahren. All diesen Verfahren gemeinsam ist, dass das Gericht darüber entscheidet, ob die Versicherung dem Arbeitnehmer beziehungsweise dem Versicherten für den krankheitsbedingten Arbeitsausfall Taggelder schuldet.

Verfahren

Jeder Kanton regelt eigens, bei welchem Gericht der Arbeitnehmer die Krankentaggeldversicherung einklagen muss. In den Kantonen Bern, Luzern und Neuenburg ist der Gerichtsweg der Gleiche wie bei Klagen gegen die Arbeitgeberin (siehe oben). Der Arbeitnehmer muss zuerst das Schlichtungsverfahren durchlaufen und, falls dort keine Einigung zustande kommt, die Klage beim Zivilgericht einreichen. In allen anderen Kantonen hingegen muss der Arbeitnehmer seine Klage beim Sozialversicherungsgericht einreichen und es findet kein vorgängiges Schlichtungsverfahren statt. Allerdings hat nicht jeder dieser Kantone ein Gericht, welches eigens «Sozialversicherungsgericht» heisst. Im Kanton Thurgau beispielsweise behandelt das «Versicherungsgericht» diese Fälle, im Kanton Schaffhausen das «Obergericht» und im Kanton Fribourg das «Kantonsgericht». Informieren Sie sich deshalb bei den Behörden Ihres Kantons, welches das zuständige Gericht für Klagen gegen Krankentaggeldversicherungen ist.

Aufgepasst: Im Gegensatz zur VVG-Versicherung, die rechtlich gesehen eine «private» Versicherung, also dem Arbeitnehmer zivilrechtlich gleichgestellt, ist, ist die KVG-Versicherung wie die obligatorischen Krankenkassen eine «Sozialversicherung» und hat die staatliche Kompetenz, Verfügungen zu erlassen. Der Arbeitnehmer kann bei Streitigkeiten betreffend Taggeldleistungen deshalb keine gerichtliche Klage gegen die KVG-Versicherung einreichen, sondern muss von ihr zuerst eine anfechtbare Verfügung verlangen. Die Verfügung enthält eine Rechtsmittelbelehrung, in der steht, bei welcher Behörde und innert welcher Frist er eine Einsprache oder Beschwerde dagegen erheben kann.

Kosten

Im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren gegen die Arbeitgeberin sind die Gerichtsverfahren gegen die Krankentaggeldversicherung kostenpflichtig. Je nach Streitwert, anwendbarem Verfahren und Kanton variieren die Kosten, weshalb wir hier keine konkreten Angaben machen können. Lässt sich die Versicherung im Prozess anwaltlich vertreten und gewinnt sie vor Gericht, muss der Arbeitnehmer beziehungsweise der Versicherte deren Anwaltskosten übernehmen.

Finden Sie dieses Dokument hilfreich?