Lohnfortzahlung bei Krankheit

Lohnfortzahlung gemäss Gesetz oder gemäss GAV / NAV


Habe ich Anspruch auf Lohn, auch wenn ich krank bin?

Ja. Die Arbeitgeberin muss ihrem erkrankten Arbeitnehmer den Lohn für eine begrenzte Zeit weiter zahlen. Wie lange der Arbeitnehmer seinen Lohn in welcher Höhe weiter erhält, hängt davon ab, welche Regeln für den konkreten Arbeitsvertrag gelten.

Am schlechtesten geschützt ist ein Arbeitnehmer, wenn die Arbeitgeberin weder an einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) oder an einen Normalarbeitsvertrag (NAV) gebunden ist noch eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hat. Mit GAV, NAV oder Krankentaggeldversicherung hat der Arbeitnehmer einen über das Obligationenrecht (OR) hinausgehenden Lohnfortzahlungsanspruch.

Die Arbeitgeberin kann eine Krankentaggeldversicherung nach VVG oder nach KVG abschliessen. Da es in der Praxis nur noch wenige Krankentaggeldversicherungen nach KVG gibt, beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen auf die Krankentaggeldversicherung nach VVG.

Wie lange habe ich mindestens Anspruch auf Lohnfortzahlung?

Untersteht das Arbeitsverhältnis keinem GAV oder NAV mit Versicherungspflicht und hat die Arbeitgeberin auch keine Krankentaggeldversicherung für ihre Arbeitnehmer abgeschlossen, hängt die Dauer des Lohnfortzahlungsanspruchs namentlich von der Anstellungsdauer, aber auch von der anwendbaren Skala ab:

  • Erste drei Monate des Anstellungsverhältnisses: Die Arbeitgeberin schuldet dem erkrankten Arbeitnehmer keinen Lohn. Aufgepasst: Dies gilt nicht für befristete Arbeitsverhältnisse, welche länger als drei Monate dauern. Hier ist die Arbeitgeberin ab Vertragsbeginn verpflichtet, dem erkrankten Arbeitnehmer den Lohn weiter zu zahlen.
  • Vierter Anstellungsmonat bis Ende des ersten Dienstjahres: Die Arbeitgeberin schuldet dem Arbeitnehmer den vollen Lohn für maximal drei Wochen. Aufgepasst: Die drei Wochen gelten für das ganze Jahr. Auch wenn der Arbeitnehmer mehrere Male für wenige Tage krank ist, erhält er nur während gesamthaft drei Wochen den Krankenlohn.
  • Ab Ende des ersten Dienstjahres: Das Guthaben an Krankheitstagen erneuert sich in jedem neuen Dienstjahr. Die Dauer hängt von der jeweils von den Gerichten gewählten Skala ab und ist so von Kanton zu Kanton unterschiedlich:
    • Aargau, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Bern, Freiburg, Genf, Glarus, , Jura, Luzern, Neuenburg, Nidwalden, Obwalden, St. Gallen, Schwyz, Solothurn, Thurgau, Tessin, Uri, Waadt, Wallis, Zug: Berner Skala

      • 2. Dienstjahr: 1 Monat
      • 3.&4. Dienstjahr: 2 Monate
      • 5.-9. Dienstjahr: 3 Monate
      • 10.-14. Dienstjahr: 4 Monate
      • 15.-19. Dienstjahr: 5 Monate
      • 20.-25. Dienstjahr: 6 Monate
      • Ab 26. Dienstjahr: Alle 5 Dienstjahre ein Monat zusätzlich

• Basel-Land, Basel-Stadt: Basler Skala

      • 2.& 3. Dienstjahr: 2 Monate
      • 4.-10. Dienstjahr: 3 Monate
      • 16.-20. Dienstjahr: 5 Monate
      • Ab 21. Dienstjahr: 6 Monate

• Graubünden, Schaffhausen, Thurgau, Zürich: Zürcher Skala

      • 2. Dienstjahr: 8 Wochen
      • Ab 3. Dienstjahr: Pro Dienstjahr eine Woche mehr

Wie hoch ist mein Lohnanspruch im Krankheitsfall nach OR?

Nach OR muss die Arbeitgeberin dem erkrankten Arbeitnehmer während der oben erwähnten «begrenzten Zeit» den vollen Lohn zahlen. Dieser beinhaltet auch allfällige Provisionen und Nacht- und Sonntagszulagen während der Abwesenheit, sofern diese vor der Erkrankung regelmässig angefallen sind.

Welche Ansprüche habe ich im Krankheitsfall, wenn ein GAV gilt?

Ein GAV kann die Arbeitgeberin verpflichten, eine bestimmte Krankentaggeldversicherung abzuschliessen.

Beispiel: GAV des Bauhauptgewerbes (LMV)

  • Versicherungsschutz ab dem ersten Tag der Anstellung;
  • 730 Taggelder pro Krankheitsfall;
  • Taggeld beträgt 90% des Lohnes;
  • Ist der Arbeitnehmer nach der Ausschöpfung der 730 Taggelder während 12 Monaten ununterbrochen arbeitsfähig, profitiert er von Neuem von den vollen Leistungen.

Welche Ansprüche habe ich im Krankheitsfall, wenn ein NAV gilt?

Auch ein NAV kann die Arbeitgeberin verpflichten, eine bestimmte Krankentaggeldversicherung abzuschliessen. Aber Achtung: Im Gegensatz zu den Vorschriften eines GAV, die zwingend sind, gelten die Vorschriften eines NAV nur, wenn im Arbeitsvertrag nichts zu einer bestimmten Frage, also hier zu Lohnfortzahlung bei Krankheit, geregelt ist.

Beispiel: NAV für das hauswirtschaftliche Arbeitsverhältnis des Kantons Luzern

  • Bei unbefristeten oder für mehr als drei Monate befristeten Arbeitsverhältnissen mit mind. 20%-Pensum:
    • Versicherungsschutz ab erstem Tag der Anstellung
    • 720 Taggelder pro Krankheitsfall
    • Taggeld beträgt 80% des Lohnes
  • Bei befristeten Arbeitsverhältnissen bis drei Monate oder unbefristeten Arbeitsverhältnissen mit weniger als 20%-Pensum:
    • Lohnfortzahlung nach eigener Skala (ähnlich der Berner Skala)
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