Konsum & Internet

Darf ich eine Anwaltskanzlei öffentlich schlecht bewerten?

Nur wer vorsätzlich die Ehre einer Person verletzt, macht sich strafbar. Die Rezensentin darf die Löschung der Bewertung an Bedingungen knüpfen.

Eine schlechte Rezension im Internet kann den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Dabei muss das Gericht der Rezensentin jedoch den Vorsatz nachweisen, die betreffende Person bewusst in ihrer Ehre verletzt gehabt zu wollen. (Siehe auch: «Darf ein Unternehmen Kommentare auf seiner Social Media Site löschen?»)

Mit einer schlechten Rezension im Internet zu drohen, kann eine strafbare Nötigung sein. Hat die Person die Bewertung bereits publiziert und knüpft sie an die Löschung Bedingungen, ist dies jedoch keine Nötigung. Denn die angekündigte Löschung würde zu einer Verbesserung und nicht zu einer Verschlechterung der Lage der Kanzlei führen. Dies hat das Bundesgericht mit Entscheid vom 11. Januar 2022 bestätigt.

Schlechte Rezension nach verpasster Rechtsmittelfrist

Ein Anwalt verpasst eine Rechtsmittelfrist. Seine Klientin verfasst daraufhin auf der Internetseite der Anwaltskanzlei eine negative Rezension. Sie bezeichnet darin den «Chef persönlich» als inkompetent, weil er einen «Appellations-Termin verpasst» habe und warnt vor der Kanzlei. Zudem teilt sie einem mit dem ursprünglichen Rechtsstreit nicht befassten Anwalt und Namenspartner der Kanzlei mit, «dass sie bei einer Rückzahlung des Honorars bereit sei, über die Löschung der «unbequemen» Rezension zu reden».

Dieser Anwalt reicht gegen die Frau eine Strafanzeige wegen Verleumdung, Erpressung, Nötigung und weiterer Delikte ein. Das Bezirksgericht spricht die Frau frei. Auf Berufung des Anwalts hin verurteilt das Kantonsgericht die Frau hingegen wegen übler Nachrede und versuchter Nötigung. Daraufhin gelangt die Frau mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht.

Üble Nachrede nur bei Vorsatz strafbar

Die Vorinstanz sieht den Tatbestand der üblen Nachrede als erfüllt, weil ein unbefangener Durchschnittsleser vom «Chef» auf den namensgebenden Partner schliessen würde. Wie das Bundesgericht ausführt, kannte die Frau den Partneranwalt zum Zeitpunkt der schlechten Bewertung jedoch gar nicht. Sie musste nicht davon ausgehen, «dass dieser Namensgeber mit dem sie nie irgendwelchen Kontakt hatte und dessen Funktion ihr völlig unbekannt war, durch ihre an den «Chef» gerichteten Vorwürfe persönlich in seiner Ehre betroffen sein könnte».

Der üblen Nachrede macht sich nur strafbar, wer vorsätzlich handelt. Da die Klientin nie mit dem Anwalt zu tun hatte und sich ihre Bewertung eindeutig auf die Verfahrensführung bezog, kann sie jedoch gemäss Bundesgericht nicht vorsätzlich gehandelt haben.

Keine Nötigung, wenn schlechte Rezension bereits geschrieben

Schliesslich spricht das Bundesgericht die Frau auch frei vom Vorwurf der versuchten Nötigung. Eine Nötigung ist nur strafbar, wenn eine Person einer anderen mit Nachteilen droht. Die Frau hat die schlechte Rezension allerdings erst geschrieben und nachher angeboten, den Konflikt zu lösen. Das Nichtlöschen der Rezension stellt jedoch kein ernstlicher Nachteil im Sinne des strafrechtlichen Nötigungsartikels dar, da der Nachteil bereits besteht.

Der Anwalt muss die Gerichtskosten von 1 500 CHF übernehmen sowie der Frau eine Parteientschädigung von 1 500 CHF überweisen.

Aktualisiert am 16. Januar 2025