Familie
Darf mein Sohn Äpfel vom Nachbar klauen?
Während früher «Mundraum» nur milde bestraft wurde, ist das unberechtigte Pflücken von Äpfeln heute ein normales Eigentumsdelikt.
Die Äpfel vom Baum des Nachbarn gehören ihm. Wer Früchte ohne dessen Einverständnis pflückt, macht sich in aller Regel des Diebstahls strafbar. Eine Ausnahme besteht insbesondere für noch nicht strafmündige Kinder und bei Ästen, die auf das eigene Grundstück ragen.
Auch Fallobst hat eine Eigentümerin
Die Früchte des Baumes gehören dessen Eigentümerin. Eigentum bedeutet insbesondere, dass die Eigentümerin des Baumes in den Schranken der Rechtsordnung nach ihrem Belieben über ihn verfügen kann. Sie kann die Äpfel also auch verrotten lassen, ohne dass jemand anderes einen Anspruch auf das Obst hat. Erwischt die Eigentümerin ein Kind beim Apfelklau, darf sie von ihm verlangen, dass es die Äpfel wieder herausrückt.
Ist das Kind noch nicht zehn Jahre alt ist, wird strafrechtlich hingegen wenig passieren: Strafmündig ist ein Kind erst, nachdem es seinen 10. Geburtstag gefeiert hat. Vor dem 10. Geburtstag des Kindes würde die Eltern oder die gesetzliche Vertretung in einem allfälligen Verfahren benachrichtigt und über die Missetat des Kindes informiert.
Fremde Äpfel im eigenen Garten gehören Grundstückseigentümerin
Anders sieht die Rechtslage in Sachen Eigentum aus, wenn der vollbehangene Ast auf das eigene Grundstück ragt. Hier kann die Eigentümerin von der Nachbarin verlangen, dass sie den Ast binnen angemessener Frist abschneidet. Tut sie das nicht, kann die Eigentümerin den Ast selber kappen und die Früchte behalten.
Wie ein Urteil des Bundesgerichts zeigt, darf die Eigentümerin dabei einer allfälligen nachbarlichen Strafanzeige gelassen entgegenblicken: Weil ein Rebstock über die Grundstücksgrenze wächst, kappt der Nachbar die Triebe. Der Eigentümer des Rebstockes reicht eine Strafanzeige ein und fordert eine Entschädigung über 20 CHF. Er zieht den Fall bis an das Bundesgericht, welches feststellt, dass bei einer solchen Bagatelle eindeutig kein strafrechtliches Verfolgungs- und Bestrafungsbedürfnis vorhanden ist.
Nachhaltiger dürfte es ohnehin sein, wenn die Eigentümerin den nachbarlichen Ast duldet, dann kann sie oder ihr Kind nämlich alle Jahre wieder die Äpfel oder eben die Trauben pflücken, da diese in ihrem Eigentum sind.
Aufgepasst: Von diesem Gratisobst kann nicht profitieren, wer in den Kantonen Appenzell Innerrhoden oder im Kanton Neuenburg wohnt: Diese beiden Kantone haben das so genannte Anriesrecht anders geregelt und belassen das Eigentum an den Äpfeln auch dann bei der Nachbarin, wenn die Äste auf ein fremdes Grundstück ragen. In Neuenburg darf die Eigentümerin allerdings immerhin die bereits auf ihr Grundstück runtergefallenen Äpfel verspeisen.
Aktualisiert am 11. Dezember 2025