Familie

Muss ich arbeiten gehen, obwohl mein Kind noch im Kindergarten ist?

Nach einer Trennung hat der betreuende Elternteil grundsätzlich ab dem Zeitpunkt eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, an dem das jüngste Kind in den Kindergarten eintritt. Das Bundesgericht hat mit seinem Urteil vom 21. September 2018 die bisher geltende 10/16-Regel durch das Schulstufenmodell ersetzt.

Das seit dem 1. Januar 2017 geltende neue Unterhaltsrecht kennt den Betreuungsunterhalt. Dieser kompensiert die Erwerbseinbusse des betreuenden Elternteils. Mit Kindergarteneintritt übernimmt der Staat einen Teil der Betreuung, weswegen ab diesem Zeitpunkt dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit im Umfang von 50% zumutbar ist. Dieses Pensum steigt im Verlaufe der Ausbildung des Kindes an. Das Modell ist sowohl auf den Betreuungsunterhalt als auch auf den allfälligen nachehelichen Unterhalt anzuwenden.

Streit um nachehelichen Unterhalt

Nach 18 Jahren lassen sich die Eheleute scheiden. Drei der vier gemeinsamen Kinder bleiben unter der Obhut des Vaters. Das jüngste Kind ist zum Trennungszeitpunkt 10 Jahre alt und bleibt unter der alternierenden Obhut beider Eltern. Das Kreisgericht verpflichtet den Ehemann zu einem nachehelichen Unterhalt in der Höhe von CHF 420, das Obergericht setzt den Betrag auf 400 CHF fest. Der Ehemann reicht beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen ein und verlangt die Streichung des nachehelichen Unterhalts.

Familienexterne Betreuung ist gleichwertig

Das Bundesgericht hält neu fest, dass die familienexterne und die familieninterne Betreuung grundsätzlich gleichwertig ist. Mit der obligatorischen Einschulung des Kindes übernimmt der Staat einen Teil der Betreuungsaufgabe, was dem hauptsächlich betreuenden Elternteil die Aufnahme der Erwerbstätigkeit ermöglicht. Ab Kindergarteneintritt des jüngsten Kindes ist eine Erwerbstätigkeit zu 50% zumutbar, ab Eintritt in die Sekundarstufe I zu 80% und nach der Vollendung des 16. Altersjahres zu 100%. Dieses Schulstufenmodell ersetzt die bis anhin geltende so genannte 10/16-Regel, gemäss welcher der betreuende Elternteil ab dem 10. Geburtstag des jüngsten Kindes ein 50%-Erwerbspensum und ab dessen 16. Geburtstag ein 100%-Erwerbspensum zumutbar ist.

Das Schulstufenmodell gilt als Richtlinie. Die Gerichte können die konkrete Ausgestaltung anpassen, so etwa, wenn nicht genügend familienexterne Betreuungsangebote vorhanden sind. Ebenso mit einbeziehen müssen die Gerichte die üblichen Kriterien wie «Gesundheit, Ausbildung, Arbeitsmarktlage», so das Bundesgericht.

Schulstufenmodell gilt für Betreuungs- und nachehelichen Unterhalt

Das Schulstufenmodell gilt nicht nur für den Betreuungsunterhalt, sondern auch für den nachehelichen Unterhalt. Zwar räumt das Bundesgericht ein, dass dies «dem Gedanken des schützenswerten Vertrauens in den Bestand der Ehe» widerspricht. Es hält aber gleichzeitig fest, «dass die Ehe in den letzten Jahrzenten ihren Charakter als «Versorgungsinstitut» stark eingebüsst habe. Haben die Eltern während der Ehe das Einverdienermodell gewählt, seien nach Möglichkeit grosszügige Übergangsfristen zu gewähren. (Siehe aber: «Muss ich nach der Scheidung Ehegattenunterhalt bezahlen?»)

Im konkreten Fall ist der Mutter eine Erwerbstätigkeit von mindestens 80% zuzumuten und der Barunterhalt des Ehemannes entsprechend angemessen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und verpflichtet den Beschwerdeführer zur Übernahme der Gerichtskosten in der Höhe von CHF 3 000.

Aktualisiert am 13. Juli 2023