Gesundheit

Teilinvalid nach Unfall: Wer zahlt die Pflegeleistungen im AHV-Alter?

Die Unfallversicherung muss die Pflegeleistungen zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit auch dann noch vergüten, wenn die versicherte Person das AHV-Alter erreicht hat. Dies unabhängig davon, ob die Person tatsächlich erwerbstätig ist, wie das Bundesgericht mit Urteil vom 21. September 2023 entschieden hat.

Wer vor dem 1. Januar 2017 verunfallte, erhält die Versicherungsleistungen gemäss altem Recht. Eine verunfallte Person hat grundsätzlich nur dann Anspruch auf eine Heilbehandlung, wenn diese voraussichtlich zu einer namhaften Besserung des Gesundheitszustandes führt. Ist dies nicht der Fall, entsteht ein Rentenanspruch. Ausnahmsweise ist eine Pflegeleistung auch in diesem Fall weiterhin zu gewähren, namentlich sofern diese der Aufrechterhaltung der verbleibenden Erwerbsfähigkeit dient.

Teilinvalide Rentnerin erhält keine Pflegeleistungen mehr

Eine angestellte Pflegehelferin verunfallt im Jahr 2010, die Unfallversicherung übernimmt das Unfalltaggeld und die Heilbehandlungskosten. 2014 spricht die Unfallversicherung der Frau eine Invalidenrente zu und vergütet die Kosten für eine Langzeit-Physiotherapie, um die Teilarbeitsfähigkeit zu erhalten. 2020 erreicht die Frau das ordentliche Rentenalter, worauf die Unfallversicherung die Pflegeleistungen und Kostenvergütungen einstellt. Erfolglos erhebt die Frau erst Einsprache und dann Beschwerde ans kantonale Sozialversicherungsgericht. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wendet sich die Frau an das Bundesgericht.

Invalidenrente ist besonders geschützt

Wer vor Erreichen des Rentenalters verunfallt und Anspruch auf eine Invalidenrente hat, behält diesen Anspruch auch mit Eintritt in das Rentenalter. Wie das Bundesgericht schreibt, müsse dieser Bestandesschutz auch für die mit der Invalidenrente zusammenhängenden Pflegeleistungen gelten. Denn das Gesetz sehe dies für vollinvalide Personen vor und es sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber teilinvalide Personen schlechter habe behandeln wollen.

«Erhalt der Erwerbsfähigkeit» bedingt keine tatsächliche Erwerbstätigkeit

Das kantonale Gericht argumentiert, dass die Unfallversicherung bei Versicherten ohne Aussicht auf Verbesserung des Gesundheitszustandes Pflegeleistungen nur dann übernehmen müsse, wenn diese dem Erhalt einer realistischen Arbeitsfähigkeit diene. Dies sei vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters gegeben, nachher nur noch dann, wenn die versicherte Person weiterhin erwerbstätig sei. Wenn dies wie hier nicht der Fall sei, würde sich eine weitere Leistung ausschliesslich im sozialen Bereich auswirken, worauf kein Anspruch bestehe.

23% der Frauen und 31% der Männer bleiben auch nach Erreichen des Rentenalters erwerbstätig und weiterhin unfallversichert. Das Bundesgericht lehnt es aber ab, nur diesen Pflegeleistungen zum Erhalt einer Erwerbsfähigkeit zuzugestehen, denn das Gesetz spricht vom Erhalt der «Erwerbsfähigkeit» und nicht von einer tatsächlichen «Erwerbstätigkeit». Zudem sei es schwierig nachzuvollziehen, warum eine Person vor Eintritt ins Rentenalter unabhängig von einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit einen Anspruch auf Pflegeleistungen zum Erhalt der Erwerbstätigkeit habe, eine Person im AHV-Alter aber nachweisen müsse, dass sie tatsächlich noch erwerbstätig sei.

Das Bundesgericht entscheidet damit, dass die Unfallversicherung die einer teilinvaliden Person zugesprochenen Pflegeleistungen auch nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters vergüten muss. Die Beschwerdegegnerin muss die Gerichtskosten in der Höhe von 800 CHF übernehmen sowie die Gegenpartei mit 2 800 CHF entschädigen.