Gesundheit
Aufhebung des Arztgeheimnisses: Hat der Patient Verfahrensrechte?

Eine Behörde darf einen Arzt nur dann vom Berufsgeheimnis entbinden, wenn er die Verfügung auch dem Patienten eröffnet.
Die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegenden persönlichen Informationen sind aufgrund verschiedener konventions-, verfassungs- und gesetzesrechtlicher Bestimmungen besonders schützenswert. Nur der Geheimnisträger selbst – also etwa die Ärztin oder der Psychologe – kann die zuständige Behörde um die Entbindung vom Berufsgeheimnis bitten. Sofern nicht eine konkrete Gefahr für hochwertige Rechtsgüter besteht, muss das Amt den betroffenen Patienten vor der Entbindungsverfügung anhören und ihm die Verfügung im Anschluss eröffnen. Tut sie dies nicht, ist die Verfügung nichtig, wie das Bundesgericht mit Urteil vom 21. Juli 2025 feststellt.
Klinik zeigt Mann an, nachdem er Kinderpornografie thematisiert hat
Ein Mann begibt sich in stationäre Behandlung und spricht dabei seinen Konsum von Kinderpornografie an. Daraufhin stellt die Klinik beim zuständigen Amt ein Gesuch um Entbindung von der Schweigepflicht, da die Gefahr bestehe, dass der Mann weiterhin Kinderpornografie konsumiere. Ohne den Mann vorher anzuhören, entbindet das Amt mehrere Personen der Klinik von der beruflichen Schweigepflicht. Sie eröffnet die Verfügung diesen Personen, nicht aber dem betroffenen Patienten.
Im Anschluss reicht die Klinik bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen harter Pornografie ein. Die Anwältin des Mannes erfährt im Rahmen der Akteneinsicht von der Schweigepflichtentbindung und erhebt erfolglos Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsrat. Das kantonale Verwaltungsgericht weist die Beschwerde gegen diesen Entscheid ab. Daraufhin gelangt der Mann mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht.
Kantonales Amt darf Verfahrensrecht nicht gezielt verletzen
Wie das Bundesgericht schreibt, ist die Entbindungsverfügung in dreifacher Hinsicht mangelhaft. So kann zunächst nur der Geheimnisträger selbst ein Gesuch um Entbindung von der beruflichen Schweigepflicht stellen. Die Arbeitgeberin, im konkreten Fall die Klinik, ist dazu nicht berechtigt. Weiter ist es ein grundsätzliches und verfassungsrechtlich verankertes Verfahrensrecht, als direkt betroffene Person von einer Verfügung zu erfahren, um sie anfechten zu können. Nur wenn ein formelles Gesetz eine Ausnahme verankert, kann die zuständige Behörde von diesem Grundsatz abweichen. Hier liegt keine entsprechende Grundlage, das Amt hat den Beschwerdeführer dennoch weder angehört noch ihm die Verfügung eröffnet. Wie das Bundesgericht schreibt, erfolgte dies «gezielt über zentrale Vorgaben des Verfahrensrechts hinweg, um die Rahmenbedingungen für eine möglichst effektive Strafverfolgung des Beschwerdeführers zu schaffen».
Arzt darf geheime Informationen nur bei konkreter Gefahr direkt preisgeben
Die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegenden persönlichen Informationen sind besonders schützenswert. Besteht eine konkrete Gefahr für hochwertige Rechtsgüter, dürfen Geheimnisträger gleichwohl ohne formelles Entbindungsverfahren Informationen weitergeben. Im vorliegenden Fall macht aber das zuständige Amt keine solche Gefahr, etwa für die sexuelle Integrität eines Kindes geltend. Vielmehr ging es ihm darum, zu verhindern, dass der Beschwerdeführer Beweismaterial vernichte.
Wie das Bundesgericht ausführt, reicht dies nicht aus, um eine «derart gravierende» und «offensichtliche» Gehörsverletzung zu rechtfertigen. Rechtssicherheits- und Vertrauensschutzinteressen, die gegen die Nichtigkeit der Verfügung sprechen, sieht das Bundesgericht keine. Die Entbindungsverfügung hat damit keine Rechtswirkung entfaltet und ist nichtig.
Das Bundesgericht erhebt keine Gerichtskosten und verpflichtet den Kanton, die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers zu entschädigen.