Wohnen

Darf ich auch nach 30 Jahren einen Rückschnitt der Bäume verlangen?

Sofern das kantonale Recht keine Verwirkungsfrist bestimmt, dürfen die Nachbarn einen Rückschnitt der Bäume auch nach langer Zeit verlangen. Dies hat das Bundesgericht mit Entscheid vom 3. November 2022 bestätigt.

Die Kantone dürfen für Pflanzen bestimmte Abstände zum Nachbargrundstück vorschreiben. Hält eine Eigentümerin diese Abstände nicht ein, kann ihre Nachbarin den Rückschnitt verlangen, ohne eine übermässige Einwirkung nachweisen zu müssen. Das hier anwendbare Thurgauer Recht erlaubt es der Eigentümerin des Nachbargrundstücks, jederzeit die Herstellung des recht- beziehungsweise des vereinbarungsmässigen Zustandes zu verlangen.

(Siehe auch: «Darf mein Sohn Äpfel vom Nachbar klauen?»)

Eigentümerin muss alte Bäume zurückschneiden

Seit 2011 ist eine Frau Eigentümerin einer Liegenschaft, welche seit über 30 Jahren von zahlreichen Bäumen und Sträuchern umgeben ist. Die kommunale Flurkommission verpflichtet die Frau auf Antrag ihrer Nachbarn, die Bäume zurückzuschneiden. Die Eigentümerin reicht erfolglos beim kantonalen Departement und im Anschluss beim kantonalen Verwaltungsgericht Beschwerde ein. Auch mit der Beschwerde beim Bundesgericht unterliegt sie.

Wer Bäume jahrzehntelang duldet, darf dennoch Rückschnitt verlangen

Während einige Kantone das Recht der Nachbarin auf Rückschnitt zeitlich beschränken, gewährt der Kanton Thurgau hier ein unbefristetes Recht. Wenn nun aber der Gesetzgeber ausdrücklich keine Verwirkungsfrist vorsieht, kann ein Gericht diese nicht über seine Rechtsprechung einführen.

Die Bäume werfen unbestrittenermassen Schatten auf die Nachbargrundstücke. Ein «Rechtsmissbrauch bei langem Tolerieren von Nachbarspflanzen» sei erst «bei Vorliegen von besonderen Umständen anzunehmen», wie das Bundesgericht schreibt. Ein blosses Zuwarten während mehrere Jahrzehnte erfüllt diese Voraussetzung noch nicht.

(Siehe auch: «Darf ich mit Sonnenschirmen die Seesicht meines Nachbarn blockieren?»)

Mehrkosten eines späten Rückschnitts trägt Eigentümerin

Da die Nachbarn die Pflanzungen jahrzehntelang geduldet haben, ist der Rückschnitt der nunmehr grossen Bäume teuer. Auch diese erhöhten Kosten entbinden die Eigentümerin aber nicht von der Pflicht, den rechtmässigen Zustand wieder herzustellen.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und auferlegt der Beschwerdeführerin die Gerichtskosten im Umfang von 4 000 CHF.