Gesundheit
Wie lange darf ein invalidenversicherungsrechtliches Verfahren dauern?

Ein IV-Verfahren muss rasch und einfach sein. Dieses Beschleunigungsverbot ist in aller Regel verletzt, wenn das Verfahren zehn Jahre lang dauert.
In einem Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren hat jede Person das Recht, dass die Behörde ihren Fall «innert angemessener Frist» entscheidet. Das sozialversicherungsrechtliche Verfahren muss einfach und rasch sein. Wer zu lange auf einen behördlichen Entscheid wartet, kann eine Rechtsverzögerungsbeschwerde erheben. Muss eine Person zehn Jahre auf den Entscheid warten, ob sie eine IV-Rente erhält oder nicht, ist dies zu lange, wie das Bundesgericht mit Urteil vom 7. März 2025 bestätigt hat. (Siehe auch: «Wie schnell muss ein Strafverfahren gehen?»)
Mann wartet jahrelang auf Rentenentscheid
Ein Mann meldet sich im März 2015 bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle verneint den Anspruch im November 2018, worauf sich der Mann an das kantonale Sozialversicherungsgericht wendet. Dieses weist die Beschwerde im August 2020 ab. Der Mann gelangt dann an das Bundesgericht, welches die Sache im Februar 2021 zur Neubeurteilung an die Vorinstanz weist. Nach einigen Abklärungen erteilt das Sozialversicherungsgericht einem Arzt im Oktober 2021 den Auftrag zur psychiatrischen Begutachtung. Im Mai 2022 findet die Begutachtung statt, das Gerichtsgutachten liegt Ende Juni 2022 vor. Beide Parteien äussern sich zum Gutachten. Im Dezember 2024 erkundigt sich der Mann beim Sozialversicherungsgericht nach dem Verfahrensstand. Nachdem er das Sozialversicherungsgericht erfolglos gemahnt hat, erhebt der Mann Rechtsverzögerungsbeschwerde an das Bundesgericht.
Sozialversicherungsgericht verletzt Beschleunigungsgebot
Eine Behörde verletzt das Beschleunigungsgebot dann, wenn das Verfahren im Hinblick auf die Art des Verfahrens, die Schwierigkeit der Materie und das Verhalten der Beteiligten zu lange dauert. Dabei ist die Dauer des gesamten Verfahrens und nicht die der einzelnen Verfahrensschritte massgeblich. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied so beispielsweise in einem Urteil aus dem Jahre 1997, «dass eine Verfahrensdauer von neuneinhalb Jahren im Streit um eine Invalidenrente im Hinblick auf die Bedeutung des Entscheides für die leistungsansprechende Person zu lang sei».
Im konkreten Fall ist das Verfahren seit Februar 2021 erneut bei dem kantonalen Sozialversicherungsgericht hängig, das Gerichtsgutachten liegt seit Ende Juni 2022 vor. Die Vorinstanz hat den Parteien seither Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und ist auf das Ausstandsbegehren des begutachteten Mannes nicht eingetreten. Im Übrigen hat sie sich zum Fall jedoch nicht weiter geäussert. Das Sozialversicherungsgericht selbst argumentiert, es arbeite noch am Fall. Das Bundesgericht lässt dies nicht gelten, namentlich da das Sozialversicherungsgericht bereits seit November 2018 mit dem Fall befasst ist und der Beschwerdeführer letztmals im Oktober 2022 eine Eingabe gemacht hat, welche das Verfahren hätte in die Länge ziehen können.
Das Bundesgericht heisst die Rechtsverzögerungsbeschwerde gut. Es setzt der Vorinstanz keine konkrete Behandlungsfrist, weist sie aber an, «die Sache an die Hand zu nehmen und so rasch wie möglich zum Entscheid zu führen». Es verpflichtet den Kanton, den Beschwerdeführer mit CHF 1 500 für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen.