Gesamtarbeitsverträge

Was sind Gesamtarbeitsverträge (GAV)?

Gesamtarbeitsverträge (GAV) sind Regelwerke, die Mindestbestimmungen zugunsten der bei einer bestimmten Arbeitgeberin angestellten Arbeitnehmer oder zugunsten aller Arbeitnehmer einer bestimmten Branche vorsehen. Die meisten GAV enthalten unter anderem Regelungen zu Mindestlöhnen, Arbeitszeiten und Sozialleistungen.

Wer schliesst die GAV ab?

Die Vertragspartner der GAV sind auf der einen Seite eine Arbeitgeberin oder ein Arbeitgeberverband und auf der anderen Seite ein oder mehrere Arbeitnehmerverbände (Gewerkschaften). Arbeitgeberverbände (auch Berufsverbände genannt) sind Vereinigungen von mehreren Unternehmungen meist derselben Branche, die sich gemeinsam für ihre wirtschaftlichen Interessen einsetzen. Beispiele: Schweizerischer Baumeisterverband, Swissmem (Verband Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie), GastroSuisse (Verband für Hotellerie und Restauration). Arbeitnehmerverbände oder Gewerkschaften sind Vereinigungen von Arbeitnehmern, die sich gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. Beispiele: Unia, VPOD (Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste), Kaufmännischer Verband. 

Wird ein GAV arbeitgeberseitig nur von einer Arbeitgeberin abgeschlossen, wird der GAV Firmenvertrag genannt. Wird er hingegen von einem Arbeitgeberverband abgeschlossen, wird der GAV Branchenvertrag genannt. Die Arbeitnehmerverbände wollen mit den GAV möglichst hohe Mindestlöhne, kurze Arbeitszeiten und gute Sozialleistungen für die Arbeitnehmer erreichen. Aber auch die Arbeitgeber haben ein Interesse daran, einen GAV abzuschliessen. Ihre Ziele dabei sind insbesondere Aufträge der öffentlichen Hand zu erhalten, unliebsame Konkurrenten daran zu hindern, mit Dumping-Löhnen und schlecht ausgeführten Arbeiten ihnen und der Branche zu schaden, sowie eine Friedenspflicht mit den Gewerkschaften zu vereinbaren, um Streiks zu verhindern.

Was steht in einem GAV?

GAV enthalten drei verschiedene Arten von Bestimmungen: Normative, schuldrechtliche und indirekt-schuldrechtliche. Die normativen Bestimmungen sind diejenigen Klauseln, die den Abschluss, den Inhalt und die Beendigung der Arbeitsverträge der am GAV beteiligten Arbeitnehmern und Arbeitgeberinnen regeln. Also namentlich die Artikel zu den Mindestlöhnen, Arbeitszeiten, Sozialversicherungs-Leistungen und Kündigungsfristen. Sie heissen normativ, weil sie eine normensetzende Wirkung haben, das heisst, unmittelbar und zwingend für die dem GAV unterstehenden Arbeitnehmern und Arbeitgeberinnen gelten. Die normativen Bestimmungen bilden denn auch den Kern des GAV. 

Die schuldrechtlichen Bestimmungen sind die Klauseln, welche die Rechte und Pflichten der GAV-Parteien (also Gewerkschaft mit Arbeitgeberin beziehungsweise Arbeitgeberverband) unter sich regeln. Die indirekt-schuldrechtlichen Bestimmungen sind etwas dazwischen. Zu ihnen gehören insbesondere die Bestimmungen über den Vollzug des GAV, also darüber, wie die paritätische Kommission (siehe unten) funktioniert, welche Unternehmen und GAV-Bestimmungen sie kontrollieren darf, welche Strafen sie aussprechen darf und wie ihre Arbeit finanziert wird.

Für wen gilt ein GAV?

Ein GAV gilt natürlich erstmal für die Vertragsparteien im Verhältnis zueinander: Also Arbeitgeberin beziehungsweise Arbeitgeberverband und Gewerkschaft. Im GAV schreiben die Parteien denn auch nieder, was die Ziele des GAV sind, mit welchen Mitteln er finanziert wird, wie die Parteien die Einhaltung des GAV kontrollieren und wie der Gerichtsweg aussieht, wenn sich die Parteien bei der Anwendung des GAV nicht einigen können. Zusätzlich (und das ist der eigentliche Zweck eines GAV) gilt er für die Mitglieder der vertragschliessenden Parteien. Bei einem Firmen-GAV bedeutet dies: Er gilt für die von der Firma angestellten Arbeitnehmer, die gleichzeitig auch Mitglied der Gewerkschaft sind, die den GAV unterzeichnet hat. 

In der Realität ist es aber fast immer so, dass die Arbeitgeberin in allen Arbeitsverträgen den GAV für anwendbar erklärt. Somit gilt er dann auch für die Nicht-Mitglieder der Gewerkschaft. Die Arbeitgeberin hat nämlich weder ein Interesse daran, die Mitarbeiter unterschiedlich zu behandeln, da dies Konflikte schürt, noch hat sie ein Interesse daran, dass sich all ihre Mitarbeiter der Gewerkschaft anschliessen. Bei Branchen-GAV gilt der GAV für alle Arbeitgeberinnen, die Mitglied des Arbeitgeberverbandes sind und deren Arbeitnehmer.

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