Gesundheit
Was zahlen Krankenkasse und IV bei Suchtkrankheiten?
Eine Sucht ist für sich eine Krankheit und in der Regel nicht selbstverschuldet. Gleichwohl gilt eine Schadenminderungspflicht.
Eine Suchterkrankung ist in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme ICD-10 in dem Kapitel «Psychische und Verhaltensstörungen» eingeordnet. Die Krankenkasse kürzt bei der Behandlung von Krankheiten keine Leistungen. Die Invalidenversicherung muss bei einer Suchtproblematik im Einzelfall abklären, ob sie invaliditätsbegründend ist. Sie kann ihre Leistungen kürzen oder verweigern, wenn die versicherte Person ihrer Schadenminderungspflicht nicht nachkommt und etwa medizinische Behandlungen ablehnt.
Selbstverschulden für Krankenkasse nicht relevant
Die Krankenkasse kürzt grundsätzlich auch dann keine Leistungen, wenn der Gesundheitsschaden auf Selbstverschulden zurückzuführen ist: Eine Aufschlüsselung danach, welcher Teil des Schadens auf Selbstverschulden und welcher beispielsweise auf eine genetische Veranlagung zurückzuführen ist, ist kaum möglich. (Siehe auch: «Zahlt die Krankenkasse bei einer Alkoholvergiftung?»)
Sucht kann Invalidität auslösen
Das Bundesgericht vertrat lange die Ansicht, dass ein Suchtproblem alleine noch keine invaliditätsbegründende Krankheit sei. Für die IV war damit eine Suchtproblematik erst im Zusammenhang mit einer anderen Krankheit oder mit einem Unfall von Bedeutung. Die Rechtsprechung ging davon aus, dass die süchtige versicherte Person ihren Zustand selbst verschuldet habe: «Bei pflichtgemässer Sorgfalt hätte sie die schädlichen Auswirkungen des Substanzkonsums (…) erkennen können» und sie verhindern können. Wie das Bundesgericht aber heute schreibt, geht es bei einer Suchtkrankheit aus medizinischer Sicht «klar um ein krankheitswertiges Geschehen, dessen funktionelle Auswirkungen sich mit einem hypothetischen Substanzentzug nicht ohne Weiteres zurückbilden».
Invalidenversicherung kürzt Leistungen nur bei Vorsatz
Die IV kürzt oder verweigert ihre Leistungen nur, wenn «die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert» hat. Da die «willentliche Natur des fortgesetzten Substanzmissbrauchs (…) nicht in jedem Fall vorbehaltlos bejaht werden» kann, liegt in aller Regel kein Vorsatz vor. Alkoholkonsum ist zudem legal, der Konsum illegaler Betäubungsmittel eine blosse Übertretung. Eine Suchterkrankung kann damit eine Invalidität begründen, selbst wenn weder vorher noch nachher andere Erkrankungen im Zusammenhang mit der Suchterkrankung aufgetreten sind.
Aufgepasst: Auch eine suchtkranke Person darf aber ihren krankhaften Zustand nicht willentlich aufrechterhalten, sie hat eine Schadenminderungspflicht. Die IV kann ihre Leistungen kürzen oder verweigern, wenn die versicherte Person nicht alles Zumutbare unternimmt, um ihre Arbeitsfähigkeit wiederzuerlangen oder zu verbessern beziehungsweise um den Eintritt der Invalidität zu verhindern.