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Darf ich während des Mutterschaftsurlaubes abstimmen?

Übte eine Parlamentarierin ihr Mandat aus, verlor sie laut Bundesgerichtsurteil vom 8. März 2022 ihren Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung.

Wer eine Erwerbstätigkeit aufnimmt und damit mehr als ein geringfügiges Einkommen verdient, verliert den Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung vollständig und endgültig. Aufgrund der zum Zeitpunkt des Bundesgerichtsurteils bestehenden Rechtslage galt dies auch, wenn eine Parlamentarierin an einer Rats- oder Kommissionssitzung teilnahm, selbst wenn sie sich dort nicht vertreten lassen durfte. (Siehe aber neu: «7 Antworten zur Mutterschaftsentschädigung von Parlamentarierinnen»)

Nationalrätin übt während Mutterschaftsurlaub Mandat aus

Eine gewählte Nationalrätin und selbstständig Erwerbstätige erhält nach der Geburt ihrer Tochter eine Mutterschaftsentschädigung. Während des Mutterschaftsurlaubs nimmt sie an parlamentarischen Sitzungen teil. Als die Ausgleichskasse davon erfährt, streicht sie die Taggelder für die Zeit ab der ersten Sitzung vollständig: Die Mutter verliert ihren Anspruch auf Erwerbsausfallentschädigung auch für ihre selbstständige Tätigkeit, welche sie während des Mutterschaftsurlaubs nicht ausübt.

Das kantonale Verwaltungsgericht wie auch das Bundesgericht weisen die dagegen erhobene Beschwerde ab. Die Nationalrätin erhebt daraufhin Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht.

Bundesgericht betrachtet Parlamentsarbeit als normale Erwerbstätigkeit

Die Erwerbsersatzordnung regelt unter anderem die Ersatzansprüche von Müttern während des Mutterschaftsurlaubs. Der Anspruch einer Mutter endet laut Gesetz «vorzeitig, wenn die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wiederaufnimmt». Das Bundesgericht qualifiziert die parlamentarische Arbeit als normale Erwerbstätigkeit. Dies gelte, auch wenn beim Parlamentsmandat keine Vertretung möglich sei, da sonst die Regelung ausgehöhlt und der Wille des Gesetzgebers übergangen würde. Irrelevant sei, ob die «betreffende Person subjektiv eine Erwerbsabsicht für sich in Anspruch nimmt». Entscheidend seien die «konkreten wirtschaftlichen Tatsachen».

Aufgrund des Bundesgerichtsentscheids hat der Gesetzgeber allerdings in der Zwischenzeit der Tatsache Rechnung getragen, dass die Parlamentsarbeit insofern nicht mit einer regulären Erwerbstätigkeit zu vergleichen ist, als dass hier keine Vertretung erlaubt ist.

Teilzeittätigkeit führt zur Streichung aller Taggelder

Nimmt eine Mutter mit verschiedenen Teilzeitjobs nur eine Tätigkeit während ihres Mutterschaftsurlaubs wieder auf, erlischt ihr Anspruch auf Taggelder auch für alle anderen Erwerbstätigkeiten. Im konkreten Fall hatte die Beschwerdeführerin zwar ausschliesslich ihr Nationalratsmandat wieder aufgenommen, damit aber auch ihren Anspruch auf eine Entschädigung für ihr fehlendes Einkommen als selbstständig Erwerbstätige verloren. (Siehe auch: «Darf ich während des Mutterschaftsurlaubs eine Weiterbildung machen?»)

Der Anspruch endete endgültig und konnte nicht wieder aufleben. Zwar konnten umgekehrt Väter den Vaterschaftsurlaub tageweise beziehen, worin das Bundesgericht aber keine Diskriminierung sah. Denn der Mutterschaftsurlaub habe gemäss Materialien einen anderen Zweck: Dieser solle der Mutter namentlich «die nötige Zeit einräumen, sich in den ersten Monaten (am Stück) intensiv um ihr Neugeborenes kümmern zu können». (Siehe auch: «7 Antworten zu dem ab dem 1. Januar 2021 geltenden Vaterschaftsurlaub»).

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und auferlegt der Beschwerdeführerin die Gerichtskosten im Umfang von 500 CHF.

Aktualisiert am 12. Juni 2024