Gesundheit
Muss die IV die Behandlung angeborener Zahnfehlbildungen zahlen?

Handelt es sich bei der Zahnfehlbildung um ein Geburtsgebrechen, muss die IV die Behandlungskosten übernehmen.
Bei der Behandlung von Geburtsgebrechen funktioniert die Invalidenversicherung (IV) für Versicherte bis zu deren vollendetem 20. Altersjahr als Krankenversicherung, wobei die IV die gesamten Kosten ohne Abzug des Selbstbehalts übernimmt. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) führt die Liste der anerkannten Geburtsgebrechen. Die Dysplasie der Zähne ist ein anerkanntes Geburtsgebrechen. Das gilt jedoch nur, sofern mindestens 12 bleibende Zähne nach deren Durchbruch hochgradig fehlgebildet sind. Dabei ist es unerheblich, ob die Zähne bereits durchgebrochen sind oder ob die Fehlbildung nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies hat das Bundesgericht mit Urteil vom 11. August 2025 entschieden. (Siehe auch: «7 Antworten zu der Weiterentwicklung der IV für Kinder und Jugendliche»)
IV lehnt Behandlung von angeborenen Zahnfehlbildungen ab
Die Eltern melden ihr 2012 geborenes Kind 2014 bei der IV zum Leistungsbezug wegen Zahnbeschwerden an. Die IV-Stelle lehnt es mehrfach ab, die Behandlungskosten zu übernehmen. Dies auch dann, als der Nachweis erbracht ist, dass sämtliche noch nicht durchgebrochenen Zähne von der Zahnfehlbildung betroffen sind und ohne Behandlung absterben würden. Das Kantonsgericht bestätigt die ablehnenden Entscheide, letztmals am 30. Mai 2024. Die Eltern gelangen im Namen ihres Kindes mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht. (Siehe auch: «Wie kann sich eine minderjährige Person bei der IV anmelden?»)
Bundesgericht gewichtet Behandlungserfolg stärker
Die IV übernimmt bei angeborenen Zahnfehlbildungen nur dann die Behandlungskosten, wenn mindestens zwölf bleibende Zähne hochgradig befallen sind. Die beim betroffenen Kind vorliegende Genmutation führt jedoch unter anderem dazu, dass die bleibenden Zähne stark verzögert durchbrechen. So sind zum Zeitpunkt der letzten Verfügung der IV-Stelle erst sechs Zähne durchgebrochen. Ohne Behandlung kurz nach Durchbruch sterben die Zähne ab.
Wie das Bundesgericht schreibt, ist Sinn und Zweck der Grenze der minimal zwölf befallenen Zähne, «einen gewissen Mindestschweregrad festzulegen». Denn die IV übernimmt nur die Kosten für die Behandlungen, welche notwendig sind, um bleibende Schäden zu verhindern. Hingegen ist es nicht Sinn und Zweck, den Anspruch auf Behandlung «zeitlich aufzuschieben». Denn weder die IV «noch die versicherte Person haben ein Interesse daran, die Behandlung eines schweren Geburtsgebrechens zu verzögern und so die spätere Behandlung zu erschweren oder gar den Erfolg derselben zu gefährden». Damit entsteht der Anspruch auf Behandlung nicht erst dann, wenn zwölf bleibende Zähne durchgebrochen sind. Er entsteht vielmehr dann, wenn «feststeht, dass mindestens zwölf [bleibende] Zähne nach ihrem Durchbruch hochgradig befallen sein werden».
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur neuen Verfügung an die IV-Stelle zurück. Die IV-Stelle muss die Gerichtskosten in der Höhe von CHF 500 übernehmen. Sie muss zudem die Beschwerdeführer mit CHF 4 208.75 entschädigen.