Gesundheit

Muss eine Spitex dem Tarifvertrag beitreten?

Nein, nicht in jedem Fall. Steht keine andere Spitex zur Verfügung, muss die Versicherung der zugelassenen Spitex-Organisation die Leistungen auch dann vergüten, wenn diese Spitex dem Tarifvertrag nicht beigetreten ist. Dies hat das Bundesgericht mit Urteil vom 18. Mai 2022 entschieden.

Eine gegen Unfall versicherte Person hat Anspruch auf Pflege zu Hause, sofern eine von der Verordnung über die Krankenversicherung zugelassene Organisation diese durchführt. Während die Versicherung mit diesen Organisationen Tarife festlegen kann, darf sie das Wahlrecht der Versicherten nicht in jedem Fall einschränken, indem sie nur Tarifvertragspartnern die Leistungen entschädigt.

(Siehe auch: «Muss die Krankenkasse die Pflege zu Hause zahlen?»)

Tetraplegikerin benötigt dauerhaft Pflege zu Hause

Nach einem Autounfall 2007 ist eine Frau Tetraplegikerin und dauerhaft auf Betreuung und Pflege angewiesen. An ihrem Wohnort steht nur eine zugelassene Spitex-Organisation dafür zur Verfügung. Die Unfallversicherung teilt der Frau mit, dass diese Spitex nicht dem Tarifvertrag beigetreten sei und die Versicherung deswegen ab dem 1. Januar 2019 keine Leistungen mehr übernehme. Die Unfallversicherung weist die Einsprache der Frau ab, das kantonale Verwaltungsgericht heisst die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde jedoch gut. Die Versicherung wiederum führt gegen diesen Entscheid Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht, welches die Beschwerde abweist.

Versicherung muss Spitex unabhängig vom Beitritt zum Tarifvertrag bezahlen

Gemäss Gesetzeswortlaut kann der Versicherer mit den Organisationen der Krankenpflege Tarife festlegen und «die Behandlung der Versicherten ausschliesslich den am Vertrag Beteiligten anvertrauen». Wie das Bundesgericht schreibt, wollte der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung jedoch nicht die Wahlfreiheit der Versicherten einschränken, sondern kostspielige Behandlungen vermeiden. (Siehe auch: «Muss ich mehr als 20% der Pflegekosten selbst übernehmen?»)

Für die Leistungspflicht sei grundsätzlich entscheidend, ob eine Organisation zugelassen sei oder nicht. Der fehlende Vertragsbeitritt der Spitex berühre ihren unfallversicherungsrechtlichen Status als zugelassene Leistungserbringerin nicht. Im vorliegenden Fall stehe der pflegebedürftigen Frau aus Kapazitätsgründen keine andere Spitex zur Verfügung. Hier sei der Gesetzeswortlaut deswegen restriktiv zu interpretieren und dem Versicherer nicht zu erlauben, nur Leistungen von Tarifvertrags-Organisationen zu vergüten. (Siehe auch: «Nichtmedizinische Hilfe zu Hause: Muss die suva rückwirkend zahlen?»)

Spitex erhält auch ohne Beitritt Vergütung nach Tarifvertrag

In der Verordnung gibt es keine Regelung für die Tarife von Leistungserbringern, welche nicht dem Tarifvertrag beigetreten sind. Das Bundesgericht wendet deswegen die Regelung für die Behandlungskosten im Spital analog an: Will sich eine versicherte Person aus medizinischen Gründen nicht in einem Listenspital sondern in einem anderen Spital behandeln lassen, vergütet die Versicherung den Betrag, den sie für die Behandlung in dem Listenspital hätte bezahlen müssen. Im vorliegenden Fall muss sich nun die Spitex analog an die Tarife des Tarifvertrages halten, auch wenn sie diesem gar nicht beigetreten ist.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Versicherung ab, auferlegt ihr die Gerichtskosten im Umfang von 800 CHF und verpflichtet sie zur Übernahme der Parteientschädigung in der Höhe von 2 800 CHF.