Familie

Muss ich als IV-Rentnerin meinen Konkubinatspartner finanzieren?

Die Behörde darf einen Konkubinatsbeitrag von der Sozialhilfe abziehen, auch wenn dies das sozialversicherungsrechtliche Existenzminimum verletzt.

Konkubinatspaare haben keine gesetzliche gegenseitige Unterstützungspflicht. Die Kantone dürfen gleichwohl die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) anwenden und bei der Bemessung des Sozialhilfebetrages einen Konkubinatsbeitrag abziehen, sofern die unterstützte Person in einem gefestigten Konkubinat lebt. Dies ergibt sich zum einen aus der verfassungsrechtlich verankerten individuellen und gesellschaftlichen Verantwortung und zum anderen aus dem Rechtsgleichheitsgebot, wie das Bundesgericht mit Urteil vom 8. Juli 2025 entschieden hat. 

Sozialbehörde zieht Konkubinatsbeitrag von Sozialhilfe ab

Ein Konkubinatspaar hat zwei gemeinsame Kinder. Die Partnerin bezieht eine Rente der Invalidenversicherung (IV), IV-Kinderrenten sowie Ergänzungsleistungen. Der Partner erhält Sozialhilfe. Die zuständige Sozialbehörde berücksichtigt dabei einen Konkubinatsbeitrag der Partnerin in der Höhe von CHF 861.85 und spricht Sozialhilfe in der Höhe von CHF 975.50 zu. Der Bezirksrat bestätigt den Entscheid im Wesentlichen, worauf der Sozialhilfebezüger Beschwerde beim kantonalen Verwaltungsgericht einlegt. Dieses weist die Sozialbehörde an, die Sozialhilfe vorerst ohne Abzug eines Konkubinatsbeitrags auszuzahlen, weist aber im schlussendlichen Urteil die Beschwerde ab. Dagegen erhebt der Sozialhilfebezüger Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht.

Sozialhilfegesetz darf auf SKOS-Richtlinien verweisen

Das anwendbare kantonale Sozialhilfegesetz regelt den Konkubinatsbeitrag nicht ausdrücklich. Für die Bemessung der Sozialhilfe verweist es auf die SKOS-Richtlinien. Diese berechtigen die zuständige Behörde dazu, bei einem stabilen Konkubinat Einkommen und Vermögen der nicht unterstützten Person für die Berechnung des Sozialhilfe zu berücksichtigen. Dieser Verweis ist gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts zulässig.

Auch Konkubinatspaare haben Unterstützungspflichten

Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass es im Konkubinat «weder eine rechtlich durchsetzbare, gegenseitige Beistands- und Unterstützungspflicht noch eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Partner» gibt. Gemäss dem Bundesgericht hingegen verlangt das Rechtsgleichheitsgebot, «die Eigenmittel des gefestigten Konkubinatspartners zu berücksichtigen», da sonst ein Konkubinatspaar gegenüber einem Ehepaar einen ungerechtfertigten Vorteil hat. Die nicht durch Sozialhilfe unterstützte Konkubinatspartnerin hat gleichwohl gegenüber einer Ehepartnerin einen Vorteil, indem sie über ein erweitertes SKOS-Budget verfügen darf, welches unter anderem Unterhaltszahlungen, Steuern oder Schuldentilgung mitberücksichtigt. (Siehe auch: «Gibt es ein Pensionskassensplitting nach Auflösung des Konkubinats?» und «Kriege ich EL, wenn mein Mann vor der Ehe Geld verschwendet hat?»)

Konkubinatsbeitrag darf Existenzminimum verletzen

Im vorliegenden Fall greift die Anrechnung des Konkubinatsbeitrages in das sozialversicherungsrechtliche Existenzminimum der nicht von der Sozialhilfe unterstützten Konkubinatspartnerin ein. Die Anrechnung des gesamten Einnahmeüberschusses verunmöglicht es der Konkubinatspartnerin, für das Alter zu sparen und Spielraum für alltägliche Ausgaben zu haben.

Die Ergänzungsleistungen bezwecken die Existenzsicherung der versicherten Person, sie stellen aber keine Sozialhilfe dar. Dieses sozialversicherungsrechtliche Existenzminimum ist denn auch höher als das absolute Existenzminimum, das in den SKOS-Richtlinien konkretisierte Sozialhilfeminimum und das betreibungsrechtliche Existenzminimum. Die Kantone dürfen das Einkommen aus den Ergänzungsleistungen bei der Festlegung des Sozialhilfebetrags berücksichtigen. Laut Bundesgericht ist dies deswegen zulässig, weil jede Person Eigenverantwortung trägt und weil sonst «Ergänzungsleistungsbezüger gegenüber betroffenen Lohnempfängern wesentlich besser gestellt» würden. (Siehe auch: «Kriege ich Sozialhilfe, obwohl ich Pensionskassengeld beziehen könnte?»)

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, Es gewährt dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege und entschädigt seinen Rechtsvertreter mit CHF 3 000. Weiter auferlegt es dem Beschwerdeführer Gerichtskosten in der Höhe von CHF 500, welche das Bundesgericht jedoch vorläufig auf die Bundesgerichtskasse nimmt.